Das Landsassengut Wildenreuth


Wirtshaus Wildenreuth

Das Landsassengut Wildenreuth, ein brandenburgisches Mannlehen, gehörte seit dem 14. bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts dem Geschlecht der Wild von Wellenreuth (später Wildenreuth), aus dem vermutlich auch der im Dienst König Ludwigs des Bayern gestandene Geistliche Ulrich Wild (um 1285 – 1328 stammte und das spätestens seit 1362 im Besitz des Patronatstechtes, des Kirchensatzes sowie der Lehenschaft der Pfarrei Pressath gewesen ist.
In diesem Zusammenhang urkundete im Jahr 1379 Jakob der Wild zu Wellenreut anläßlich eines Pfarrerwechsels zu Pressath und auch noch 1420 ist ein Jakob Wild anläßlich eines gerichtlichen Vorganges wegen des Pressather Kirchenlehens urkundlich belegt. In den einschlägigen Niederschriften sind als Inhaber der Gutsherrschaft Wildenreuth weiterhin seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die Wild von Wildenreuth angeführt. Von den Brüdern Georg und Adam Wild von Wellenreuth wurde der Gutsbesitz, der um 1462 an Markgraf Albrecht von Brandenburg, Burggrafen von Nürnberg, verpfändet war und dessen Sicherheit bei den damaligen kriegerischen Auseinandersetzungen gefährdet schien, in den Schutz des Herzogs Ludwig von Bayern-Landshut, des Landesherrn des einen Halbscheids vom Gemeinschaftsamt Parkstein-Weiden, gestellt.

Auf Adam Wild von Wildenreuth, dessen Bruder Georg gleichzeitig für Neuhaus genannt wird, folgte Sebastian Wild, den 1484 Markgraf Albrecht ersubhte, Jorgen von Trauttenbergs sohn zu commendiren und demselben zur pfarre Pressath als seinem lehen vor andern zu befördern, und zu Anfang des 16. Jahrhunderts dessen Sohn Wolf Wild von Wildenreuth, der in den Dreißigerjahren auch gemeinsam mit den Landsassen im Haberland angeführt wird.

In der Neuburgischen Landtafel von 1562 wird Wolf Wild zu Wildenreuth in einem Nachtragsvermerk als gestorben bezeichnet und in der oberpfälzischen Landsassenmatrik von 1566 ist sein Name gestrichen und mit Hans Wild ersetzt. Dieser Hans Wild von Wildenreuth blieb während der restlichen Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts Inhaber und Lehensträger des Landsassengutes Wildenreuth, bis um die Jahrhundertwende ihn sein Sohn Hans Reichard (gelegentlich auch Neidhard) Wild von Wildenreuth ablöste, mit dessen Tod im Jahr 1611 mangels lehenberechtigter Manneserben das Landsassengut an die Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth heimfiel.

Zur Eigenschaft des Landsassengutes als brandenburgisches Lehen gehörte seit spätestens dem Beginn des 16. Jahrhunderts eine weitere Lehensbindung, die sich vor allem auf die Förderung des Bergbaues bezog und vom Kaiser auch als König von Böhmen ausgesprochen wurde.

Über diese „Freiheit des silberbergwerks, jagdgerechtigkeit, halsgericht und was dem anhängig zu Wildenreuth“ wurde in einer Lehensbestätigung K. Rudolfs II. für Hans Reichard Wild zu Wildenreuth vom 24.Juni 1602 auf die gleichartige Belehnung durch K. Ferdinand I. vom 17. September 1528 Bezug genommen und dabei die Formulierung gebraucht:

„Also daß der genannt Hans Reichard Wild und seine erben daselbst gericht verleihen, ambt, stock, galgen und alle anderen stadtrechte, wildbann und bergrechte, die ander unsere und der cron zu Beheim stadt und bergwerk von alters here gebracht und noch haben, handhaben durften.“

Diese Befugnisumschreibung zielte offenbar auf die im Königreich Böhmen bei Gründung oder zur Förderung des Aufbaues von Bergbaubetrieben verliehenen Bergfreiheiten ab, die meist auch die Ermächtigung zur Handhabe der Rechte einer „Bergstadt“ einschlossen. Für das Landsassengut Wildenreuth war eine solche Verleihung vor allem bergbaulich bezogener Obrigkeitsrechte im Hinblick auf das Silberbergwerk um Erbendorf und außerdem in Anbetracht der gleichzeitigen Besitzinhabung des Hammergutes Dießfurt im benachbarten kurpfälzischen Amt Kemnath-Waldeck wohl nur vorsorglich, zumal eine tatsächliche bergmännische Tätigkeit auch in der Folgezeit im engeren Bereich von Wildenreuth nicht erkennbar ist.
Gleichwohl mochte diese gesonderte Lehenszuständigkeit, die man später als Afterlehen des gesamten Landsassengutes zur Krone Böhmen auszulegen versuchte, mit dazu beigetragen haben, daß Hans Wild von Wildenreuth gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Landsasseneigenschaft Wildenreuths zum Gemeinschaftsamt Parkstein-Weiden überhaupt in Abrede stellte, indem er sich weigerte, zum Landtag von 1591 zu erscheinen, und dies damit begründete, daß er in die gemeinschaft nicht gehörig. Außer der umgehenden Anweisung, Hans Wild von Wildenreuth ernstlich aufzufordern, seiner Huldigungspflicht nachzukommen, ist hiebei nichts weiteres erfolgt; nur wurde eindeutig erklärt:

„Da auch die churfürstliche Pfalz sich seiner annehmen wollte, soll auf den burgfrieden gedrungen werden, wie auch uf den vertrag de anno 1483, darin diß gut in specie begriffen, daß er nicht der churfürstlichen Pfalz, sondern zu Bayern gehöre. übrigens wurde auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Dorf Gössenreuth als freies Eigen zum Landsassengut hinzuerworben.“

Als heimgefallenes brandenburgisches Mannlehen wurde Wildenreuth 1611 von neuem „diesmal an Hans von Podewils verliehen, der damit neben seinen sonstigen Besitzungen zunächst in Dießfurt und Friedersreuth sowie – seit 1627 in Troschelhammer – alles im benachbarten kurpfälzischen Amt KemnathWaldeck gelegen – jetzt Landsasse auch des im Gemeinschaftsamt Parkstein-Weiden gelegenen Gutsbezirks Wildenreuth wurde.
Dieses Landsassengut erstreckte sich auf die Orte Birkenreuth, Frodersreuth, Gleißenthal, Gössenreuth, Köstlmühle, Püllersreuth, Wildenreuth und vereinzelte Untertanen in Plärn, Pleisdorf und Steinbühl mit insgesamt 83 Hintersassen samt 20 Inleuten in 16 Ganzhöfen, 13 Halbhöfen. 8 Gütern, 19 Häusern und 2 Mühlen sowie einer Gastwirtschaft in Wildenreuth. Die ausschließlich landwirtschaftliche Struktur erweist sich auch aus dem der Steueranlage zu entnehmenden Viehbestand von 29 Pferden, 49 Ochsen, 99 Kühen, 48 Kälber, 8 Schweinen und 40 Schafen. Zum Landsassengut gehörte seit je die Pfarrkirche St.Jakob in Wildenreuth, deren Patronatsherr von allem Anfang der Landsasse gewesen ist.

Der neue Landsasse von Wildenreuth war markgräflicher Amtmann zu Lichtenberg im nördlichen Frankenwald, lebte daher außerhalb des Landes und weigerte sich als überzeugter Kalviner im Zuge der Ende der Zwanzigerjähre in stärkerem Maße einsetzenden Gegenreformation zum katholischen Glauben überzutreten. Gleichwohl blieb der Besitz von Wildenreuth in der Familie, indem sich sein Sohn Erdmann Ernst von Podewils nach dem Tod seines Vaters zur ordnungsgemäßen Belehnung 1647 anmeldete. Dessen Sohn Hans Ernst, der als Soldat in Ungarn und Polen, auch in Moskau sich umgetan hat, wurde im Jahre 1669 bei einem Raufhändel vor Marktredwitz erschossen und schied so vorzeitig als Gutsnachfolger aus. Als Adam (oder Erdmann) Ernst von Podewils am 14.August 1679 starb, waren Veit Christian und ein weiterer Sohn Christoph Wilhelm aus anderer Ehe gegen Herausgabe eines Barbetrages an die Schwester Rosina Dorothea als Erben eingesetzt. Mit Lehenbrief vom 15. Dezember 1679 Veit Christoph von Podewils das Lehengut Wildenreuth, das 1683 zwischen ihm und seinem Bruder Christoph Wilhelm von Podewils aufgeteilt und 1713 durch Rückkauf des abgetrennten Anteils wieder vereinigt wurde.

Mit dem Lehen Wildenreuth belehnte Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg am 6.Mai 1713 Christoph Wilhelm von Podewils und seine beiden Vettern Christoph Erdmann und Franz Heinrich von Podewils. Doch nach wenigen Jahren, am 3. April 1716 verstarb Christoph Wilhelm von Podewils; seine Witwe Elisabeth Dorothea, eine geborene von Lindenfels, erbat daraufhin als Vormund ihrer unmündigen Söhne – Johann Erdmann Ernst mit 12 Jahren, Johann Christoph mit 5 Jahren und Christian Friedrich im Alter von 2 Jahren – dann auch der einzigen neunjährigen Tochter Lucie Maria um Bestellung eines Lehensträgers bis zur Erlangung der Majorenität des Ältesten, wofür dann Johann Christoph Wilhelm von Sauerzapf, Fähnrich in einem kaiserlichen Regiment, bestimmt worden ist. Die unmittelbare Belehnung erfolgte dann durch Lehenbrief vom 28. Juni 1736, wobei auch die Vettern Christoph Erdmann von Podewils zu Dießfurt und Franz Heinrich von Podewils zu Wolfering einbezogen waren.

Die im 16. Jahrhundert erfolgte Belehnung mit obrigkeitlichen Rechten durch den Kaiser als König von Böhmen führte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht nur zu gewissen Unsicherheiten, sondern auch zu langwierigen Auseinandersetzungen.

Ohnehin war schon längst von Markgraf Christian Ernst darauf hingewiesen worden, „daß zeit hero bei den adeligen und unserem fürstentum des burggrafenamts Nürnberg zu lehen gehenden rittersitzen und deren zugehörungen zu vielen malen unrichtigkeiten sich ereignet und deren etlich ganz verschwiegen und als eigentum gehalten, teils verwechselt, teils unwissend und ohne consens der lehensherrschaft verhandelt, teils auch andern Churherrschaften aufgetragen und sonst in unzulänger weise damit verfahren worden.“

Nunmehr behauptete Christoph Wilhelm von Podewils, daß 1641 von Herzog Wenzel von Lobkowitz sein Vorfahre und nach dessen Tod Erdmann Ernst von Podewils mit jenen Lehen belehnt worden sei, die vor zeiten die Wilden, und zwar die Gebrüder Jacob und Wolfhard Wilden in anno 1383, nach diesen Wolf Wild in anno 1528 innengehabt, nit aber als afterlehensleut, sondern es haben selbe unter bemelten jahren von den damaligen königen in Böheim Wenzeslaw und Ferdinando handen empfangen.

Damit – so wird im Zusammenhang mit einem lang andauernden Jurisdiktionsstritt auch dargetan – sei Wildenreuth „a saeculis her ein königlich böhmisches mannlehen gewesen, welches nach absterben des Reithard Wildgins von Wildenreuth, mit deme die männliche descendenz erloschen, der krone Böheim anheimgefallen“.

Derart verallgemeinernd konnte die Angelegenheit denn doch nicht hingenommen werden, die der lobkowitzische Lehenspropst der Herrschaft Störnstein für die Erlangung der obrigkeitlichen Rechte des Hochgerichtes und der Malefizfälle in Anspruch nahm, auch wenn festgestellt werden mußte, daß sich wegen der von Ihrer durchlaucht von Lobkowitz bei dem im gemeinschaftsamt Parkstein / Weiden gelegenen Landsassengut Wildenreuth gesuchter lehenbarkeit in actis nichts findet.

Johann Erdmann (Adam) Ernst von Podewils starb am 14. März 1751 und wurde christlichen evangelischen adelsgebrauch nach in der gutsherrlichen Pfarrkirche St. Jakob in Wildenreuth begraben. Kurz nachher muteten die beiden Söhne Johann Christoph und Christian Friedrich von Podewils zu Döltsch und Kalmreuth um das Lehen des in churfürstlicher Pfalz Sulzbachisehen landen gelegenen rittergutes. Der Lehenbrief vom 23. März 1752 ist auch namens der zum Teil noch unmündigen Brüder für Johann Christoph Wilhelm Friedrich, Johann Friedrich Ernst und Heinrich Friedrich Karl von Podewils und zugleich mit für ihre mitbelehnten vier Vettern ausgestellt.

Nach dem 1762 erfolgten Tod des Christian Friedrich von Podewils auf Kalmreuth wurde das bisher von den Brüdern gemeinsam besessene Landsassengut im Jahr 1767 an Christoph Wilhelm Friedrich von Podewils allein übertragen. Als er am 5. April 1783 starb, ging das Landsassengut an die Brüder Johann Friedrich Ernst und Heinrich Friedrich Karl von Podewils über, die aber ihre Erbanteile – das an sie gefallene rittergut Wildenreuth samt ein- und zugehörung, recht und gerechtigkeiten, jus patronatus und gerichtsbarkeit sowie hohe und niedere jagd, ebenso das allodialgut Gössenreuth und dessen ein- und zugehörung – gegen vereinbarte Verbindlichkeiten an die beiden Fräulein Eleonora Susanna von Podewils und Philippine Caroline von Podewils abtraten.
Laut Belehnungsprotokoll vom 21. Februar 1788 hatten dann die beiden Schwestern das ihnen mit Zessionsvertrag von 1783 und mit lehensherrlicher Genehmigung vom 28. Dezember 1785 abgetretene Rittergut Wildenreuth durch den als Lehensträger bestellten Kammerherrn und Landschaftsrat Helmut Heinrich Gustav von Flotow, der auch die Ritterlehens- und Landsassen-Erbhuldigung ableistete, zu einem Mannlehen gehörig empfangen. In dieser Rechtslage des Besitzverhältnisses nahm das Landsassengut seine weitere Entwicklung zur Überführung in die zu Beginn des 19. Jahrhunderts neu geschaffenen administrativen Zuständigkeiten.

 

Auszüge aus „Historischer Atlas von Bayern“, Heft 47 Neustadt Waldnaab / Weiden, Seite 238 - 244, von Heribert Sturm